V 2.0.0 vom 27.02.96, letzter Update 07.09.04 ©1996
Nördlich von Tak, wo ich auf einer schwankenden Holz-Stahlseil-Konstruktion den breiten, braun-schlammig dahinfließenden Mae Nam Ping überquere, führt die Straße aus der fruchtbaren, überwiegend landwirtschaftlich genutzten Ebene in die dicht bewaldeten Berge. Die Grenze zu Burma ist nur etwa hundert Kilometer weit entfernt. Plötzlich überall Militär. Auf Lastwagen, zu Fuß, alle bewaffnet. Es gibt immer wieder Spannungen zur sozialistischen Volksrepublik nebenan. Die Menschen sind nicht nur noch viel ärmer als die Landbevölkerung hier in Thailand, sie sind auch völlig von der Außenwelt isoliert. Fremde können Burma wegen der Visumvorschriften nur wenige Tage besuchen und kommen nicht aufs Land hinaus, denn die Infrastruktur, ein Erbe der britischen Kolonialzeit, verfällt, genau wie die wenigen verbliebenen Fahrzeuge, die Jahrzehnte alt sind. Devisen hat das Land kaum, es schottet sich seit Jahren extrem von der Außenwelt ab. Große Teile der wilden und unwegsamen Wald- und Regenwälder entziehen sich jeder staatlichen Regierbarkeit.Die lange Grenzlinie erlaubt einen kontinuierlichen Flüchtlingsstrom und einen gewissen, den sozialistischen Grundsätzen zuwider laufenden freien Warenumschlag, natürlich auch und insbesondere für Rauschgifte. Es hat merklich abgekühlt und plötzlich regnet es auch schon: kurz und heftig. Abends erreiche ich Chiang Mai, die Provinzhauptstadt des Nordens. Die meisten Guesthouses sind belegt, ich finde aber dennoch eines. Es wimmelt von Stechmücken. Sie sind die Verbreiter der Malaria, einer mitunter tödlich verlaufenden Tropenkrankheit. Infolge des massiven Einsatzes von Chloroquin, insbesondere durch amerikanische Soldaten, konnten sich resistente Erregerstämme vermehren, so daß die Wirksamkeit auch der Prophylaxe fraglich ist. Man hat sich hier langsam auch schon auf Besucher eingestellt: es gibt einen Flugplatz, eine "Bierstube"-mit Schnitzel, Bratwurst und Sauerkraut- und diverse Rotlichtlokale. Die armen Bauern vom Land schicken oft selbst eine Ihrer Töchter dahin zum Arbeiten. Ein kleines Zubrot für die Familie. Mit Zwanzig sind sie zu alt für die Touristen. Dann müssen Sie wieder aufs Feld. Im Reiseführer steht, in der Nähe von Chiang Mai gibt es ein Dorf der Meos. Das ist einer der etwa zwanzig Bergstämme, die in Nordthailand sowie den angrenzenden Länder Burma und Laos leben. Über die Bergstämme hatte ich Manches gelesen. Sie leben in den unzugänglichen Dschungelgebieten des Norden und werden auch von den Thais als exotische Wesen mit unverständlichen Sprachen, bunten Trachten und seltsamen Sitten bestaunt. Einige dieser Bergstämme, wie die zahlenmäßig allerdings unbedeutenden Lua und Lawa, werden zu den ältesten Bewohnern Thailands gezählt. In ihrer Abgeschiedenheit konnten sie sich bis heute die Merkmale der australisch-asiatischen Urbevölkerung bewahren. Von den meisten anderen Stämmen nimmt man an, daß sie erst nach den Thais, also nach dem 13. Jahrhundert, aus dem burmesisch-chinesischem Raum einwanderten. Sie leben teilweise recht isoliert vom Anbaus von Reis, Mais, Baumwolle und Opium. Auf Betreiben der Regierung soll der Opiumanbau zurückgedrängt werden, es gibt verschiedene Programme zur alternativen Landnutzung, die Fremden auch nur allzugern vorgeführt werden. Das verbirgt jedoch leicht die Tatsache, daß ein großer Teil der kaum zugänglichen Gegenden im Goldenen Dreieck kaum kontrollierbar ist. Händler kaufen den Opiumbauern den Rohstoff für wenig Geld ab, die Weiterverarbeitungsstätten sind unerreichbar versteckt und werden streng bewacht, von regelrechten Privatarmeen der Rauschgiftbosse. Denen wollte ich ungern begegnen. Nun, jenes Meo-Dorf erreiche ich über einen holprigen Waldweg aus rotem Staub. Zunächst wunder ich mich noch, daß hier auch kleine Reisegruppen in Jeeps hergekarrt werden (sie verstauben nämlich die ganze Luft), aber als ich dann in diesem "ursprünglichen Dorf" bin, wird es schlagartig klar: das einzig Ursprüngliche war der Weg hierher. Es ist mehr ein Touristen-Bazar, die Kinder werden in Tracht herumgeschickt und kassieren für jedes Foto einen Bath, und Cold-Drinks gibt es natürlich auch.
In der Umgebung von Chiang Mai gibt es sehr viel Kunsthandwerk, man verarbeitet Seide, es gibt Schnitzer und Kunstmalerei. So geraten auch meine Alugepäckisten unter die Pinsel jugendlicher Künstler. Sie meinen, so ein tolles Motorrad - da käme als Motiv nur ein feuerspeiender Drache in Frage. Ich bin einverstanden. Normalerweise fertigen sie Fächer und Schirme, die ins Ausland exportiert werden, und die man zuweilen auch bei uns in Exotik-Boutiquen antrifft. Ichverlassen jetzt Chiang Mai in Richtung Südwesten. Ständig werde ich von Leuten naßgespritzt. Anfangs nur von Kindern, und nur mit der Hand. Aber immer öfter sind es Halbwüchsige mit Eimern. Manchmal kommen sie mir unvermutet mit Pickups entgegen, die ein ganzes Wasserfaß geladen haben. Sie knallen dir den Inhalt eines Zwanzigliter-Zinkeimers aus voller Fahrt aus dem Gegenverkehr entgegen. Es wirkt wie ein harter Faustschlag und einige Sekunden siehst du nichts. Fußgänger werden davon nur naß. Motorradfahrer kann es umbringen. Das Thai-Jahr geht demnächst zu Ende, und man bespritzt sich gegenseitig mit Wasser, eigentlich ein alter Brauch, der für mich durch das maßlose Verhalten einiger Jugendlicher schon seit Tagen äußerst unangenehm ist. In jedem Dorf bin ich fällig. Kann ich durch Winken noch rund achtzig Prozent der Begießungen abwehren, schon ein Eimer reicht, um von schlammigen und meist noch übelriechendem Wasser durchtränkt, wieder mindestens eine Stunde zu frieren. Die Thais finden es lustig. Sie verstehen das nicht. Sie fahren ja höchstens bis ins nächste Dorf.
In Mae Sanaag wendet sich die Straße nach Norden, es ist nicht mehr so bergig und bewaldet. Man sieht viele kleine Felder mit Gemüse und Reis. Die Urbevölkerung, das sind die Angehörigen der sogenannten Bergstämme, lebt auch hier, in unmittelbarer Umgebung des Verkehrsweges, in ärmlichster Bescheidenheit in ihren blättergedeckten Hütten. Ich male mir aus, wie so ein Dorf wohl im Tropenregen aussieht. Eine Schlammpfütze. Sie haben Angst vor mir. Ihre Kinder folgen mir. In gebührenden Abstand. Der Dorfälteste hat unter dem Motorrad Platz genommen. Keiner wagt es zu berühren. Ich deute auf meinen Fotoapparat, weiß aber nicht, ob ich verstanden werde. Ich käme mir schäbig vor, sie einfach so als "Souvenir" auf Zelluloid mitzunehmen, mache aber trotzdem, jedoch nur äußerst sparsam und unauffällig, einige Aufnahmen. Trotz meiner Versuche, mit Händen und Füßen eine Verständigung herbeizuführen, bleiben sie abweisend. Ich kenne Ihre Geschichte und vor allem leider ihre Sprache nicht. Ich fühle mich wie ein Fremdkörper, ein Eindringling. Dieses eigenartige Gefühl bleibt für den weiteren Weg. Ic haben vor, mich nördlich von Mae Hon Son durch unwegsame Gegenden zu schlagen. Es soll aus der Zeit des zweiten Weltkriegs noch eine verfallene Piste existieren, die in das Gebiet um Pai führt. Sie wurde im Dschungelkrieg von den Japanern angelegt. Thais, in diesem Vorhaben um Rat gefragt, sind entsetzt. Da wohne der "Bergmann", es sei gefährlich. Die Thai haben anscheinend kaum Wissen über oder gar Beziehung zu ihrer Urbevölkerung, und es gibt eine Menge unreflektierter Vorbehalte gegenüber diesen Menschen. Ich selbst sehe das Problem eher bei den bewaffneten Helfern der Opiumhändler, und hoffe inständigst, denen nicht zu begegnen. Mae Hon Son selbst ist ein netter Ort, er ist, abgeschottet durch die Urwaldberge sehr deutlich von burmesischem Einfluß geprägt, was sich auch in der Architektur seiner vielen süßen kleinen Tempelchen ausdrückt. Sonst gibt es in der Nordwestecke Thailands keine größere Thai-Siedlung. Ich suche mir eine nette Unterkunft, tanke das 34l-Faß meiner kleinen 350er Honda-Enduro nochmal voll. Es ermöglicht bei ruhiger Fahrweise auf guter Straße trotz ausladenden Gepäckboxen einen Aktionsradius von 800-1000 km. Morgen will ich den Weg finden. Ich werfe noch einen Blick auf das zierliche Motörchen. Letztes Jahr hat er mich problemlos durch Indien gebracht. Der Haufen Hebelwerk in seinem Radial-Ventil-Zylinderkopf ist lauter geworden, seit ich die 30000km-Marke überschritten habe, der Ölverbrauch ist konstant niedrig. Solche Motorräder gibt es in Thailand praktisch nicht, also auch keine Ersatzteile. Man fährt hier, wenn überhaupt, überwiegend knallbunt angemalte 125er japanische Zweitakter in Rennschale, die man von dem würgenden Griff des Schalldämpfers vollständig befreit hat. Gelegentlich werden auch größere Viertaktmotorräder in Touristenorten im Süden beim Verleih angeboten.
Die Piste ist anfangs erstaunlich breit und hat, wie die meisten Kriegsstraßen, einen festen Unterbau für schwere Fahrzeuge. Sie windet sich teils abenteuerlich durch völlig menschenleer erscheinende Gebiete über dschungelüberwucherte Bergrücken. Größere Gebiete bestehen aus verkohlten Baumstümpfen, die von kniehohem Halfa-Gras überwuchert werden. Zeugen des Raubbaus. Kein Baumkeimling wird sich hier in der ausgelaugten Erde mehr gegen das primitive Gras im Kampf um das Licht durchsetzen können. Die Erosion, beschleunigt durch die oft sinflutartigen Tropenregen, hat in solchen Gebieten die Piste ganz oder teilweise zerstört. Ich eiere in bis zu knietiefen Längsrillen umher, oft noch steil bergauf oder bergab dazu. Am Horizont einzelne Rauchwolken. Dörfer der Bergstämme sind auf die Entfernung kaum auszumachen. Ihre Mohnfelder sind größtenteils schon abgeerntet. Nächste Saison werden sie weiterziehen in ein anderes Gebiet. Sie werden für ihr Weiterleben wieder den Wald anzünden. Die reiche Heroin-Mafia wird jede andere Entwicklung der Bodennutzung zu verhindern wissen. Ich erreiche einige Dörfer, will aber kein Aufsehen erregen und halte mich, weitgehend unbeobachtet, wie ich glaube, im Hintergrund. Die verschiedenen Stämme tragen völlig verschiedene Trachten, meistens sind sie mit Naturfarben bunt gewebt. Auch die Kinder rauchen oft die Opiumpfeife und erscheinen verlangsamt bis lethargisch. Es ist gut gegen den Hunger. Betelnuß, die Frucht der Betelpalme wird gekaut und färbt die Zähne ekelhaft blutrot bis schwarz. Auch sie hat eine betäubende Wirkung. Betteln ist den Menschen fremd. Ich suchen den Kontakt nicht, habe Angst vor Spitzeln, man könnte micheinen für Spion der Regierung halten. Die Berge sind in höheren Lagen neblig und kalt. Ewiger Dunst zieht durch den Regenwald. Gott sei Dank regnet es nicht, sonst sitze ich im Schlamm fest. Nach langer Fahrt erreiche ich die Hauptstraße nach Fang. Erst jetzt kommt der befürchtete Regenguß, es wird nachtschwarz. Innerhalb einer Viertelstunde fällt aus einer gewaltigen Wolke soviel Regen, daß die Gegend um mich herum blitzschnell zwanzig Zentimeter unter Wasser steht. Gerade kann ich noch in einem kleinem Tempel Unterschlupf finden. Nach einer Stunde hat sich die Lage beruhigt, so daß ich auf der ordentlich befestigten, aber teilweise überfluteten Straße die Fahrt fortsetzen kann. Ichübernachten in Fang. Nachdem mir drei verschiedene Leute unabhängig voneinander bestätigt haben, daß die Straße nach Mae Chan befahrbar sei (insbesondere wenn sie mein Motorrad gesehen hatten, dem sie offensichtlich hubschrauberartige Fähigkeiten zutrauten), mache ich mich auf den Weg. Zunächst nach Tha Thon, dem letzten Außenposten der Thais. Hier lungern auch viele heruntergekommene Wilde herum, die zwischen den letzten Blätterbuden mit Thai-Coke betteln. Die Piste ist in einem verheerenden Zustand nach den heftigen Regenfällen. Lehmig zerfurcht mit bodenlosen, schlammigen Wasserdurchfahrten und Brücken aus glitschigen, rindenlosen moosigen Baumstämmen - wer soll hier eigentlich noch fahren? Autos ja wohl kaum? Ich habe in meinem ganzen Leben auf der ganzen Welt noch nie eine Piste erlebt, die nur für Motorräder angelegt worden wäre. Wahrscheinlich liegt es nur an der Jahreszeit. Auch plagt mich erneut die Vorstellung, daß diese Gegend ja nun nicht gerade als die Sicherste gilt. Verwegen windet die Piste sich durch Brandrodungsgebiete, Mohn und Gemüsefelder. Vereinzelt treffe ich auf die Eingeborenen, die recht sonderbare Trachten tragen. Eine Tracht erinnert mich wegen ihrer "Wadlschoner" unvermittelt an bayrische Schuhplattler. Sie bleiben stehen, betrachten mich, sonst keine Reaktion. Hagere Gestalten, und eine alte Frau. Langsam pafft sie Ihren Kiff vor sich hin. Hinter den Bergen öffnet sich die Landschaft zur weiten Ebene. Die Schwemmlandschaft des gelben Flusses, des Mekong. Mir ist nicht klar, ob ich mich nicht auf burmesischen Gebiet befinde, die Karte lässt beide Deutungen zu. Illegal dort einzureisen ist höchst bedenklich, ich will es auf jeden Fall vermeiden. Ich wähle, wenn es geht, eine östliche Route, und schließlich, nach mehrstündiger Fahrt, gelange ich auf nun besserer Straße an einen Thai Security Point, wo ein bewaffneter Soldat steht. Er zeigt beim Passieren keinerlei Regung. Sieben weitere Security Points folgen (deren Anzahl steht wohl in umgekehrten Verhältnis zur Sicherheit in diesem Gebiet), schließlich erreiche ich endlich die Teerstraße über Mae Chan nach Mae Sai, dem nördlichsten Punkt Thailands. Hier herrscht ein Trubel, vielleicht nur wegen dem Thai-Neujahr, oder generell? Da ist die geschlossene, aber in Wirklichkeit offene Grenze in Form einer Brücke über den Kok-River. Unzählige, sehr verschieden aussehende Leute überqueren sie, unbehelligt von den Grenzposten, ich beobachte Thai, Burmesen, Chinesen, Inder, Bettler und Wilde. Ein reger Warenaustausch findet statt, und offensichtlich jeder verdient daran was, sicher auch die Beamten. Ich gehe auch ein Stückchen nach Burma hinein, werde dann aber von den Grenzern zurückgeschickt.
Nun folge ich der Grenzlinie nach Südosten und erreiche das Dreiländereck zwischen Thailand, Burma und Laos (woher eigentlich "Golden Triangle", der Name für das ganze Gebiet hier, herkommt). Malerisch mündet der Kok-River in den sich träge dahinwälzenden Mekong. Gelegentlich sieht man ein Kanonenboot aus dem sozialistischen Laos. Die zeitweiligen Verbindungen von Thailand nach dem weiter stromab gelegenem Vientiane in Laos sind derzeit völlig unterbrochen. Ununterbrochen weiter geht leider die blöde Wassergießerei, letztlich erreiche ich feucht-frierend über eine unlesbar beschilderte Piste Chiang Rai, wo ich mir ein einfaches Hotel suche. Die weitere Fahrt führt mich auf weniger aufreibenden Routen von Zentral- nach Ostthailand, zunächst die Ruinenstätte Sukhothai mit ihrem unglaublich schönem, würdige Ruhe ausstrahlendem, riesigen Buddha. Das Benzin geht zur Neige, hunderte Kilometer keine Tankstelle auf dem Weg nach Osten. Der Ölpeilstab ist auch trocken, bei bisher minimalen Ölverbrauch. Schließlich finde ich eine Tankstelle, zwei Liter sind noch im Tank. Der Tankwart macht ein ungläubiges Gesicht und traut seiner Tankuhr nicht, soviel Sprit (35 Liter) für ein Motorrad, das hat er noch nicht erlebt. Die Geräuschkulisse aus dem Zylinderkopf macht mir zunehmend Sorgen, in Khon Kaen, im Osten des Landes kann ich ihn in der Hotelhalle vor den Augen des staunenden Personals, das mich wegen der Hitze ständig mit erfrischenden Colddrinks versorgt, zerlegen. Die Bestandteile wirken abgenutzt, ich stelle die Ventile neu ein und hoffe daß alles hält. Ich will nach Phimai, das liegt schon im Khmer-Gebiet, doch bis dahin ist es noch ein Stück. Mit einem Krachen bleibe ich dann auf einer Piste stehen, ich befürchte das Schlimmste, das Hinterrad hat blockiert. Aber es hatte sich nur der werkseitig miserabel befestigte Plastik-Kettenschutz reingewickelt. Seine Reste werden radikal beschnitten, der TÜV mag es mir nachsehen. Neben den bekannten Khmer-Tempeln in Phimai soll es weiter südlich, unweit der kambodschanischen Grenze, eine rund tausend Jahre alte große Khmer-Tempelanlage geben. Sie ist völlig überwuchert vom Dschungel und wurde erst vor dreißig Jahren entdeckt. Sie schlummert völlig unangetastet von Archäologen dahin. So etwas hat schon als Kind meine Phantasie beflügelt, also mache ich mich auf die Suche. Unzählige Male fragen ich in verschiedensten Bauerndörfern - und bekomme fast genauso viele Antworten. Jeder möchte nämlich mit mir sprechen (auch wenn ich kein Wort verstehen kann), Inhalt und Wahrheit spielen sowieso eine untergeordnete Rolle. Nach langer Suche, ich war mehrfach kurz vor der Aufgabe, finden ich es in der Dämmerung. Der Regen hat aufgehört. Ein verwunschener Ort, wie eine Filmkulisse voller Geheimnisse. Wurzelwerk der wilden Vegetation umschlingt die teilweise verfallenen, kunstvoll verzierten Bauten aus kolossalen, moosigen Steinblöcken. Ich klettere noch ein wenig herum, bevor es endgültig dunkel wird.
Der NH2, der sogenannte Truck-Highway, ist eine staubige, von Rußwolken eingenebelte, fade sich dahinziehende Straße über das Korat-Plateau nach Westen Richtung Bangkok. Die Gegend ist hier wieder dichter besiedelt als im unterentwickelten Osten. Inzwischen voll angepaßt dem einheimischen Fahrstil, schaffe ich die Nord-Süd-Durchquerung der Hauptstadt in rekordverdächtigen drei Stunden. Die Benutzung des Expessways, der einen Teil der Stadtdurchfahrt abkürzt, ist mir von der Polizei untersagt worden. Der wurde nämlich für schnelle Fahrzeuge wie Autos oder LKWs gebaut. Meine Route wendet sich nun nach Süden, auf die lange, fingerförmige Halbinsel, die weiter südlich dann Malaysia mit dem Stadtstaat Singapur an ihrer Spitze bildet, auf Äquatorhöhe gelegen. In Hua Hin, dem alten Badeort des Königs, habe ich erstmals Kontakt zum Meer. Eine tropische Palmenlandschaft, durchbrochen von schroffen Felsformationen begleitet mich weiter nach Süden. Mit der Fähre schiffe ich nach Ko Samui. Das ist eine wunderschöne Palmeninsel, nicht so überlaufen, wie die bekannten thailändischen Badeorte. Ein schöner Ausgleich, Tauchen und Baden zwischen den Korallenriffen, sowie die landestypische Küche mit ihren herrlichen Fischspezialitäten.
Eigentlich wollte ich in den restlichen zwei Wochen noch Malaysia bereisen, aber es sollte alles anders kommen, als geplant. In der Nähe von Phuket verursache ich eines morgens einen Unfall mit einem entgegenkommenden Motorroller, alle drei Beteiligten werden verletzt und kommen ins Krankenhaus. Der Motorroler wurde von einem 11-jährigen Mönchnovizen in der orangenen Kutte gefahren! Mir wird Pass und das beschädigte Fahrzeug von der Polizei abgenommen. In der Sanitätsstation werde an einer offenen Gesichtsverletzung operiert, mein Knie kann ich nicht mehr strecken. Mit viel Glück und den letzten Geldreserven gelingt es mir noch, für alles Notwendige zu sorgen: Den leicht beinverletzten Unfallgegner abzufinden. Die Sachschäden und Krankenhauskosten zu bezahlen. Die Bestechung der Polizei um Herausgabe von Pass und Fahrzeug. Die Verschiffung desselben via Singapur nach Hamburg inklusive der ganzen Zollprozedur um die Freigabe der Bürgschaft. Ich beschließe, so eine Reise mit Motorrad-Verschicken nie wieder zu machen - doch schon nächstes Jahr wußte ich, daß ich mich nicht daran gehalten habe ...